Forschungsprojekt

Register, Ethik und Logistik: Infrastruktur und die (De-/Re-)Bürokratisierung des Transports auf dem Kongofluss (DR Kongo)

Postdoc-Projektstipendiat 2017–2018


Das Projekt untersucht bürokratische Praktiken im Bereich der Flussschifffahrt  in der Demokratischen Republik Kongo. Obschon ein Grossteil des Transports auf den Flüssen der DR Kongo als »informell« bezeichnet werden kann, funktioniert er dennoch nicht ohne »vernakulare« logistische und bürokratische Praktiken und Prozeduren, welche aus der kolonialen und postkolonialen Geschichte des Landes herrühren. Inspiriert von einer Anthropologie der Infrastruktur und der Technologie, welche technologische Artefakte und Infrastrukturen als konstitutive, nicht-menschliche Bestandteile sozialer Beziehungen verstehen, lautet die Arbeitshypothese, dass die Informalität und die kontinuierliche Informalisierung des kongolesischen Transportsektors auf der Grundlage von, und in Komplizität mit, bürokratischen Technologien geschieht, wodurch eine »Ethik der Informalisierung« kultiviert und in Stand gehalten wird.

Teil dieser Infrastruktur sind Register, Stifte, Tickets, Rechnungen, Berechnungsmethoden, Wiegeprozeduren und Gewichteinschätzungen, Dieselzähler, Säcke und Schlösser, sowie das Arsenal von hölzernen baleinières, Schubbooten, und Hafeninfrastruktur. Rezente technologische Innovationen (lokale Aneignung chinesischer Zweitakt-Dieselmotoren, Mobiltelefone, mobile Geldversandsysteme wie mobile money oder m-pesa, tragebare Solarpanele, etc.) ziehen tiefgreifende Transformationen in den Bereichen der vernakulären Logistik und populärer bürokratischer Praktiken mit sich. Auf der Grundlage ethnologischer Feldforschung, Oralgeschichte und historischer Forschung in Archiven zielt das Projekt darauf ab, auf der Grundlage einer ethnographischen Bestandaufnahme die Aneignungsgeschichte bürokratischer Praktiken seit der Zeit des Kolonialismus (und teilweise davor) bis heute nachzuzeichnen.