Forschungsprojekt

Inszenierung von Geschlechterordnungen im Turnier. Repräsentationen, Ideale und kulturelle Praxis zwischen Genderkonformität und Gendernonkonformität

Constanze Buyken

Constanze Buyken

2014–2017 Doktorandin am DHIP


Von der historischen Spieltheorie inspiriert und sich in den Ansatz der Forschungsgruppe einbettend, wird das Turnier in diesem Projekt als eine agonale Freizeitbeschäftigung betrachtet, die spielerische, festliche, sportliche und kompetitive Elemente in sich vereint. Dabei wird das Turnier als ein Ort des Zusammentreffens, der Kommunikation und der Repräsentation sowie als Moment der Aushandlung von Bildern und Normen untersucht, die die Gesellschaften des ausgehenden Mittelalters prägten. Das Turnier ist jedoch nicht nur als Interaktionsraum der spätmittelalterlichen Soziabilität im Allgemeinen zu begreifen, sondern insbesondere als ein zentraler Ort des öffentlichen Zusammentreffens zwischen Männern und Frauen. Ziel des Dissertationsvorhabens ist deshalb die Untersuchung von Kampfspielen im 14. und 15. Jahrhundert in Frankreich, Burgund und dem Reich in einer kultur- und geschlechterhistorischen Perspektive, die in der bisherigen Forschung ein Desiderat ist.

Im Zentrum des Projekts stehen Erörterungen zur Konstruktion, Repräsentation und Performativität von geschlechtlichen Kategorien.

In den Quellen erscheint dieses Zusammentreffen als stark gegenderte Ritualisierung, in der Ritter und Dame diskursiv eingeübte Geschlechterrollenbilder verkörpern, die sich nicht zuletzt aus den Normen höfischer Verhaltensideale speisen und etwa durch die zeitgenössische Traktatliteratur vermittelt wurden. Diese Voraussetzungen und Implikationen nimmt das Projekt in den Blick, um die Performanz von Geschlecht in spätmittelalterlichen Kampfspielen zu erörtern. Dazu ist nicht nur eine Neubewertung der konkreten Rollen und Funktionen von Frauen im Turnier erforderlich, die in rituellen und symbolträchtigen Handlungen definierend, richtend und regulierend eingriffen. Es stehen vor allem Erörterungen zur Konstruktion, Repräsentation und Performativität von geschlechtlichen Kategorien im Zentrum des Projekts. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Maskulinität, deren Untersuchung in der Turnierforschung bislang vernachlässigt wurde. So legt die Arbeit unter Rückbezug auf die Ansätze und Theorien der Women’s, Gender und Masculinity Studies auch strukturelle und theoretische Fragestellungen nach der Konstruktion und performativen Inszenierung von Männlichkeits- und Weiblichkeitsentwürfen, gegenderten Verhaltensnormen und physischen Idealen an das spätmittelalterliche Turnier an. Ein zentraler Ansatzpunkt des Projekts ist es dabei jedoch, Binaritäten stets zu hinterfragen und die Kategorien Männlichkeit und Weiblichkeit nicht als eindimensional, natürlich und statisch zu betrachten, sondern sich stets ihrer performativen Prozesshaftigkeit bewusst zu sein, die Umbrüchen und Aushandlungen unterlagen. Es gilt in der Arbeit deshalb auch, nach Möglichkeiten der Transgression im spätmittelalterlichen Turnier zu fragen.