Forschungsprojekt

Geschlechterkonfigurationen am Hofe der frühen Neuzeit, 1580–1650

Regine Maritz

Doktorandin am DHIP 2014–2017


Ziel dieses Dissertationsprojektes ist es geschlechtliche Anordnungen in der höfischen Gesellschaft zwischen 1580 und 1650 herauszuarbeiten und diese mit der Entwicklung des Hofes als politischer Institution in Verbindung zu bringen. Dabei gehe ich auf drei verschiedenen, doch eng verschränkten, Ebenen vor. Erstens wird der gegenderte Aspekt höfischer Räumlichkeit in den Blick genommen, sowie zweitens Konstruktionen von Geschlecht und Macht in ehelichen, außerehelichen sowie Eltern-Kind- Beziehungen. Drittens werden geschlechtlich kodierte Aspekte der Repräsentation der herzoglichen Familie untersucht.

Konstruktionen von Geschlecht und Macht in ehelichen, außerehelichen sowie Eltern-Kind-Beziehungen

Die zentrale Fallstudie für dieses Projekt bildet der Fürstenhof von Stuttgart unter den Herzögen Friedrich I. (1557–1608) und seinem Sohn Johann Friedrich (1582–1628). Der Stuttgarter Hof dieser Epoche bildet eine fruchtbare Grundlage für diese Studie, denn mit Friedrich I. begegnen wir einem territorialen Herrscher, der eine intensive Zentralisierung der Macht auf seine Person sowie eine große Unabhängigkeit von den Landständen anstrebte. Sein Versuch, eine neue Modalität von Herrschaftsausübung zu institutionalisieren, erstreckte sich bis in sein Familienleben: Entgegen seiner lutherischen Konfession ging Friedrich eine Vielzahl von außerehelichen sexuell konnotierten Beziehungen ein, was seine Frau Sibylla von Anhalt (1564–1614) auch oftmals beanstandete.

Die politischen Auswirkungen dieser Affären waren sogar nach seinem Tod spürbar, denn als Johann Friedrich die Regierung übernahm, machte er es zu einer seiner ersten Amtshandlungen, eine Vielzahl der Mätressen und Kupplerinnen seines Vaters zu inhaftieren. Die meisten wurden bald wieder freigelassen, aber für eine unter ihnen bedeutete dies den Beginn einer sechsjährigen Gefangenschaft, der sie erst entfliehen konnte, nachdem sie unter außergewöhnlichen Umständen ihren Fall beim Reichskammergericht in Speyer einklagte. Diese Begebenheiten generierten eine Vielzahl von Quellen, wie Briefe und Gerichtsdokumente, welche es ermöglichen gegenderte Personenkonzepte innerhalb dieser komplexen und umkämpften Familienstruktur zu verorten, und diese mit der – in Entwicklung begriffenen - lokalen Staatlichkeit in Verbindung zu bringen.