Forschungsprojekt

La cité bureaucratique post-conflit en Côte d’Ivoire. Analyse de la bureaucratisation par le haut et par le bas de la société ivoirienne sous l’effet des politiques de »Désarmement, Démobilisation et Réinsertion« des combattants

Projektstipendiatin

2017–2020 am DHIP

(Stand: Februar 2020, diese Seite wird nicht weiter aktualisiert.) 

 


Im Rahmen der Forschungsgruppe DHIP-CREPOS arbeite ich an meiner Promotion mit dem Titel »La cité bureaucratique post-conflit en Côte d’Ivoire. Analyse de la bureaucratisation par le haut et par le bas de la société ivoirienne sous l’effet des politiques de ›Désarmement, Démobilisation et Réinsertion‹ des combattants« (Auf Deutsch in etwa: »Die bürokratische Gesellschaft in der Post-Konflikt-Elfenbeinküste. Eine Analyse der Bürokratisierung der ivorischen Gesellschaft unter dem Einfluss von Programmen zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kombattanten«). Die Doktorarbeit wird von Richard Banégas betreut.

Ziel dieser Studie ist es, die politische und soziale Bedeutung der sehr diversen Modalitäten der Bürokratisierung der ivorischen Gesellschaft im Rahmen von DD&R-Programmen besser zu verstehen.

Während in der Konfliktanalyse meistens versucht wird, die Ursachen eines Konfliktes aus historischer Perspektive zu bestimmen, ist die Post-Konflikt-Analyse eher ein evaluativer Ansatz der normativen Beurteilung. Die Post-Konfliktanalyse konzentriert sich auf makroökonomische Faktoren und Kriterien, wie den Stand des Friedensprozesses und seine Perspektiven, die Sicherheitssituation und den gegenwärtigen ökonomischen und sozialen Zustand des Landes. Dabei wird die Historizität der zu analysierenden Gesellschaft außen vor gelassen.

In Afghanistan, Haiti, Namibia, Mali und dem Sudan wurden Post-Konflikt-Perioden seit dem Ende des Kalten Krieges von dutzenden Programmen zur Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kombattanten (Désarmement, Démobilisation et Réinsertion, DD&R) begleitet. In vielen Fällen sind die DD&R-Programme ein integraler Bestandteil von ambitionierten Friedenssicherungsmissionen. Es geht nicht nur darum, zur Konsolidierung des Friedens beizutragen, sondern auch darum, rechtsstaatliche und demokratische Strukturen als Basis für einen dauerhaften Frieden zu errichten. Im Laufe der letzten zwanzig Jahre hat sich DD&R gewandelt: von einer sorgfältig sequenzierten Reihe von Maßnahmen in der Folge von Friedensverträgen sind die DD&R-Programme zu einem breiter gefächerten System von institutionellen, ökonomischen und sozialen Maßnahmen geworden, die auch die Friedensverhandlungen (und die Sicherung des Friedens) selbst einbegreifen können.

Nachdem sie mehr als ein Jahrzehnt lang von politisch-militärischen Krisen gezeichnet war, ist die Elfenbeinküste mit Hilfe von vielen Schlichtungsversuchen und Vereinbarungen zur Beendigung der Krise in einen Post-Konflikt-Prozess eingestiegen. Vor diesem Hintergrund wurden seit 2003 verschiedene DD&R-Programme für ex-Kombattanten eingerichtet. Vielfältige Argumente werden angeführt, um die Bezeichnung »Post-Konflikt« für den Fall der Elfenbeinküste anzuwenden, unter anderem das wiedererstarkende Wirtschaftswachstum, das von 2012 bis 2015 laut Weltbank durchschnittlich 8,5% betrug, die spektakuläre Entwicklung der Infrastruktur und die Rückkehr von direkten Finanzinvestitionen aus dem Ausland. Doch diese positiven wirtschaftlichen Indikatoren verschleiern die wachsende Ungleichheit im Land, und jüngste Ereignisse haben die Elfenbeinküste schwer erschüttert, sei es die Meuterei der Offiziere im Januar 2017 oder der seit dem 9. Januar 2017 mehr als zwei Wochen dauernde Streik der öffentlichen Angestellten (Es nahmen das Militär, Studenten, Beamten und Feuerwehrleute teil). Diese Ereignisse zeugen von einer bleibenden gesellschaftlichen und politischen Schieflage, die im Bezug auf die Zukunft von Post-Konflikt-Gesellschaften schwerwiegende Fragen aufwirft.

Die Studie versucht zu analysieren, wie die DD&R-Programme, die vor allem aus Verwaltung und Bürokratie hervorgehen, die ivorische Gesellschaft in dem beeinflusst haben, was ich einen doppelten Prozess der Bürokratisierung nenne: einerseits von „oben“, durch die Schaffung einer bürokratischen Maschinerie, von Karrierelaufbahnen und politisch-verwaltungstechnischen Karrierestrategien, die man atypisch nennen kann, und andererseits von „unten“, indem Praktiken der Selbstidentifikation und legale, rationale Organisation in Gruppen von ex-Kombattanten ermöglicht werden. Transformiert sich die Post-Konflikt-Elfenbeinküste in der Art einer bürokratischen Gesellschaft („cité bureaucratique“) im Sinne von Jean-François Bayart, d.h. eines Orts, an dem bürokratische Praktiken (hierarchische Organisation, geregelte Abläufe, Statuten, etc.) sich im formellen Sektor, im informellen Sektor oder in der Vorstellungswelt einer Gesellschaft entwickeln? In der Linie der Arbeiten von Béatrice Hibou zur neoliberalen Bürokratisierung wird so versucht, die Bürokratisierung aus dem Blickwinkel von Domination und Instrumentalisierung zu analysieren, doch auch unter dem Aspekt des Gehorsams und der Zugehörigkeit.

Ziel dieser Studie ist es, die politische und soziale Bedeutung der sehr diversen Modalitäten der Bürokratisierung der ivorischen Gesellschaft im Rahmen von DD&R-Programmen besser zu verstehen.

Abbildung: Sitz der Dozo in Korhogo, Fotografie von Kamina Diallo