07.07.2016 - 08.07.2016

Occupied Societies in Western Europe: Conflict and Encounter in the 20th Century

  • Tagung 20. und 21. Jahrhundert
  • 13:30 Uhr (07.07.) - 15:00 Uhr (08.07.)
  • KWI Essen

Internationaler Workshop organisiert vom Institute for Advanced Study in the Humanities, Essen (T. Tönsmeyer), dem Duitsland Instituut Amsterdam (K. Thijs ) und dem DHIP (S. Martens) in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Deutsch Niederländische Geschichte und dem Arbeitskreis historische Belgienforschung.

Die Geschichte Westeuropas war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von zahlreichen Widersprüchen geprägt: von Konflikt und Verflechtung, Nähe und Distanz, Gewalt und Kooperation. Viele dieser Elemente lassen sich exemplarisch in den Strukturen und Dynamiken der westeuropäischen Besatzungsgesellschaften beobachten, denn anders als es eine ältere Historiographie nahegelegt hat, beschränkten sich die Beziehungen zwischen Besetzten und Besatzern nicht auf »Kollaboration« und »Widerstand«. Vielmehr gingen mit der physischen und/oder regulativen Präsenz der Besatzer eine Vielzahl von transnationalen Begegnungen (im weitesten Sinne), Kontakten wie Konflikten zwischen Besetzten und Besatzern einher. Okkupation griff darüber hinaus auch vielfach in das Binnengefüge besetzter Gesellschaften ein, ging sie doch mit spezifischen gesellschaftlichen Erfahrungen einher, eröffnete Handlungszwänge wie Handlungsoptionen, veränderte Alltagsroutinen und verflüssigte vermeintliche soziale Gewissheiten. Gerade in Westeuropa waren Strukturen und Spielräume dieser Interaktionen zwischen Besatzern und Besetzten, wie auch innerhalb der besetzten Gesellschaften bzw. unter den Besatzern vielfach wesentlich durch Formen hybrider Staatlichkeit geprägt, agierten doch der (National-)Staat und seine Agenturen nun unter deutscher Oberaufsicht. Besatzung erweist sich somit als ein Schlüsselzugang zu einer auf Erfahrungsgeschichte der Jahre des Zweiten Weltkriegs in Europa, die Fremdheit, Konfrontation und gewaltsame Grenzüberschreitungen (im weitesten Sinne) ebenso aufzuschließen vermag wie Begegnungen, Hoffnungen und neue Chancenkalkulationen.

Diese Zusammenhänge will die Konferenz für die westeuropäischen Besatzungsg-sellschaften vergleichend und transfergeschichtlich diskutieren. Das bedeutet zum einen, die paradoxe »verbundene Distanz« Westeuropas zur eskalierenden Gewalt des Völkermordes und des Vernichtungskrieges in Mittel- und Osteuropa mit zu berücksichtigen. Einen weiteren Kontext bilden die Wechselwirkungen zwischen den besetzten »Mutterländern« Frankreich, Belgien und den Niederlanden mit ihren Kolonialreichen in Übersee. Schließlich weist das Tagungsthema über das Kriegsende hinaus, weil an vielen Orten Erfahrungen, Expertisen und Wissensbestände aus der Besatzungszeit transnationale Praktiken in der Nachkriegszeit prägten.