Pays de Guerre/Kriegslande. Okkupationspolitik und Kleiner Krieg in Trier und Luxemburg 1701–1714
Militärische Okkupationen sind in der Frühen Neuzeit ein ebenso häufiges wie gesellschaftlich und politisch prägendes Phänomen in Mitteleuropa. Ihre erheblichen Folgen für die betroffenen Akteure und ihre Wechselwirkung mit Staatsbildungsprozessen waren daher schon mehrfach Gegenstand der Forschung. Hierbei fand zuletzt der Spanische Erbfolgekrieg (1701–1714) als ein potentieller Meilenstein der Diplomatie und Okkupationsgeschichte besondere Beachtung. Vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit lag dabei allerdings auf der Wechselwirkung zwischen den regulierten Kontributionen und Sachleistungen besetzter Gebiete und den irregulären Praktiken des sogenannten »Kleinen Krieges«. Letzterer umfasste Aufklärungsaufgaben, Selbstversorgungspraktiken und Guerillaaktionen der Kavallerie beider Seiten in feindlichem Gebiet. Aufgrund seines irregulären Charakters – so will dieses Projekt zeigen – brachte aber gerade der »Kleine Krieg« komplexe Kommunikation von betroffenen Akteurinnen und Akteuren mit Besatzern und Herrschaftsträgern hervor: Kommunikation, die einen wichtigen Beitrag zur frühneuzeitlichen Herrschaftsintensivierung und -ausübung leistete.
Untersucht werden diese Fragen anhand einer Regionalstudie zur Grenzregion zwischen Trier und Luxemburg, die ein wichtiger Quartier- und Versorgungsraum war. Der Krieg begann hier mit der kampflosen Übergabe der Festung und Stadt Luxemburg durch die Spanischen Truppen an den Bourbonen Philipp V. Sie erkannten seinen Anspruch an, der rechtmäßige Erbe Spaniens zu sein. Entsprechend inszenierte er die Übergabe Luxemburgs als Fortsetzung einer legitimen Herrschaft und nicht als Okkupation. Die Armee seines Großvaters Ludwigs XIV zog daraufhin jedoch weiter und besetzte Trier und sein Umland als Puffer- und Versorgungszone für den erwarteten großen Krieg.. Die gegen Frankreich verbündeten Mächte reagierten mit ständigen Kampfhandlungen gegen die Französischen Truppen und besetzte Dörfer in Form des »kleinen Krieges« und zeitweise einer eigenen Besetzung Triers 1705–1706. Für fast anderthalb Jahrzehnte war die Grenzregion im Krieg, was die Bewohnerinnen und Bewohner zwang, einen neuen Alltag zu gestalten – einen Alltag mit erheblichen, zum Teil existenzbedrohenden Belastungen. Das Projekt untersucht in beiden Städten und den zwischen ihnen liegenden Dörfern multipolare Kommunikation, die aus der Notwendigkeit entstand, ein Zusammenleben von Truppen und Bevölkerung zu organisieren und Dienstleistungen und Ressourcen vor Ort sowie Kapital für Kontributionen bereitzustellen.
Beide Städte waren politische und kirchliche Zentren ihres jeweiligen Herrschaftsbereiches. Durch die Anwesenheit feindlicher Truppen und die gleichzeitig fortbestehende Landesherrschaft entstand eine erhebliche Mehrbelastung der Bevölkerung. Steuern und Ressourcen mussten teils sowohl für den eigenen Landesherrn und seine Verbündeten als auch für feindliche Truppen aufgebracht werden – während der irreguläre »kleine Krieg« andauerte.
Entgegen der modernen Vorstellung von eindeutigen Grenzen, muss diese Situation vor dem Hintergrund weitreichender grenzübergreifender Verflechtungen in der Region analysiert werden. Dies umfasst lokale Herrschaftsrechte, landständische Institutionen, Wirtschaftsbeziehungen aber auch die auf das Erzbistum Trier zentrierte Kirchenorganisation. Alle diese Verflechtungen gerieten während des Krieges unter erheblichen Druck und konnten sich entweder als Belastung oder als Vorteil für die Akteurinnen und Akteure vor Ort und in den jeweiligen Machtzentren erweisen.
Bildnachweis: Frederik de Wit, Archiepiscopatus et electoratus Trevirensis […], Karte des Erzbistums Trier und der benachbarten Gebiete, Wikimedia Commons.