Geschichte Afrikas

Forschungsprojekt

Kommunaler Transport und die Regulation des Raums in afrikanischen Städten


Das Projekt unternimmt eine Geschichte des informellen Transports in Afrika in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, an der Schnittstelle zwischen Stadt-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte.

Matatus, daladala, taxis-bus, trotros, bush taxi,… die Namen für die Fahrzeuge, die den größten Teil des ÖPNV in afrikanischen Städten stellen, sind so vielfältig wie ihre Technik, ihre Netzwerke und Infrastrukturen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in der informellen Ökonomie organisiert sind, dem großenteils unregulierten, durch Vielfalt der Besitzverhältnisse und prekäre Arbeitsbedingungen geprägten Wirtschaftssektor, in dem Schätzungen zufolge inzwischen 85 Prozent der Afrikaner beschäftigt sind.

Der informelle Transport prägt nicht nur das Stadtbild in weiten Teilen Afrikas, sondern bildet auch ein wichtiges Rückgrat städtischen Lebens und urbaner Ökonomien. Er ist dabei – entgegen der häufigen Konzeptualisierung als separater »informeller Sektor« – mit »formellen« Ökonomien und Infrastrukturen ebenso eng verflochten wie mit dem afrikanischen Staat. Sammeltaxis und Minibusse etablierten sich in vielen afrikanischen Städten im Zuge von Urbanisierungsprozessen in den 1950er Jahren.

Matatus, daladala, taxis-bus, trotros, bush taxi,… die Namen für die Fahrzeuge, die den größten Teil des ÖPNV in afrikanischen Städten stellen, sind so vielfältig wie ihre Technik, ihre Netzwerke und Infrastrukturen.

Spätkoloniale modernistische Wirtschafts- und Sozialpolitiken standen dem anhaltenden kolonialen Bedürfnis nach Kontrolle von (sozial und ökonomisch) immer mobileren Bevölkerungen gegenüber. Dieser Widerspruch legte die Grundlage für informelle Ökonomien. Durch wirtschaftliche Krisen ab den 1970er Jahren wuchs der Widerspruch weiter an. Gleichzeitig öffneten sich Staaten schrittweise den informellen Ökonomien und begannen, die Aktivitäten in diesem Sektor zu tolerieren und aktiv zu verwalten. Damit verflochten sich zunehmend informelle mit formellen Ökonomien. Zeitgleich etablierten sich Organisationen zur Selbstverwaltung des fragmentierten und unter verschärfter Konkurrenz leidenden informellen Transports. Verwaltung der Routennetze, Sicherung des Profits etablierter Unternehmer und Vertretung gegenüber dem Staat wurden zu dringenden Aufgaben für diese Organisationen. Dagegen blieb die Organisation der Arbeiter kontinuierlich schwach, auch weil etablierte Transportgewerkschaften sich nicht als Vertretung der Fahrer sahen, die informell auf Kommission arbeiteten. Nutzer wiederum nahmen den informellen Transport als Notwendigkeit an. Sie verteidigten Fahrer gegen die Polizei, beschwerten sich aber auch über Unsicherheit, Gewalt und Kriminalität im Netzwerk, forderten wie auch Betreiber Regulierung in einigen Bereichen, Toleranz und Deregulierung in anderen. Auch politisch war der Sektor immer aufgeladen. Haltestellen und Busse wurden in Perioden der Demokratisierung zu Räumen der Diskussion, der Wahlpropaganda und des politischen Konflikts. Regulierung und Deregulierung stellen sich dabei nicht als binäre Prozesse dar, sondern je nach Motivation der beteiligten Akteure als politische Steuerungsinstrumente zum Management der komplexen Strukturen der informellen Ökonomie und der darin organisierten Infrastrukturen.

Trotz seiner Bedeutung für das soziale, kulturelle und wirtschaftliche (Über-)Leben in Städten des globalen Südens sowie, zumindest während der Transformationszeit, in Osteuropa, ist der informelle Transport (wie auch die informelle Ökonomie insgesamt) noch wenig von der historischen Forschung bearbeitet worden. In den Sozialwissenschaften herrscht dahingegen ein geradezu enthusiastisches Interesse seit der »Entdeckung« des informellen Sektors als permanenter und integraler Teil urbaner Ökonomien durch den Anthropologen Keith Hart und die International Labour Organisation 1972/73. Dabei kann eine historische Betrachtung der Herausbildung des informellen Transports, seiner Organisationsformen und Arbeitsverhältnisse, wesentliche Annahmen und Konzeptualisierungen der sozialwissenschaftlichen Literatur hinterfragen. Das gilt insbesondere, wenn es um die Frage seiner Kontextualisierung als Teil des Siegeszugs des Neoliberalismus geht. Ebenso hinterfragt das Projekt die Annahme seiner Autonomie als informeller Sektor bzw. seiner Einbettung in ein genuin »afrikanisches« Leben in der Informalität.

Bildnachweis: Busterminal »Kulima Tower« , 20.09.2006. Lusaka, Zambia. Foto: Robert Heinze.