Forschungsprojekt

Politiker auf Reisen: Macht und ihre Repräsentation in Westafrika, 1945–1964

Direktorin (›Germany‹) MIASA, Accra

sballer@dhi-paris.fr


Das Habilitationsprojekt betrachtet Staatsbesuche und andere offizielle politische Reisen, die afrikanische und französische Politiker in der Phase de Dekolonisation im Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die frühen 1960er Jahre innerhalb Westafrikas sowie zwischen Westafrika und Europa durchführten. Der regionale Schwerpunkt bezieht sich insbesondere auf das Gebiet der Afrique occidentale française (AOF), berücksichtigt aber auch Teile der 1958 geschaffenen Communauté française und die teils realisierten sowie teils nur geplanten Föderationen der Ghana-Guinea-Union, der Fédération du Mali und Senegambia. Die Arbeit reflektiert politische Transformationsprozesse anhand der kulturellen und sozialen Praktik des Reisens. Das Forschungsprojekt fragt nach der Rolle von Reisen bei der Produktion politischer Ordnungen und imperialer, nationaler und panafrikanischer Visionen.

Die Reisen dienten nicht allein diplomatischen Verhandlungen und dem Aus- und Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen, sondern sie bildeten auch eine Bühne symbolischer Repräsentation.

Die Reisen dienten nicht allein diplomatischen Verhandlungen und dem Aus- und Ausbau von Wirtschaftsbeziehungen, sondern sie bildeten auch eine Bühne symbolischer Repräsentation. Für französische Politiker lieferte diese Bühne eine Gelegenheit, den fortwährenden kolonialen Einfluss Frankreichs zu zelebrieren. Für westafrikanische Politiker waren die Reisen eine Möglichkeit, ihre jeweiligen Staaten auf dem internationalen Parkett in Szene zu setzen und panafrikanische Ideale zu bewerben, vor allem ab 1958 mit größerer Autonomie und 1960 mit der staatlichen Unabhängigkeit. Zugleich machen die Reisen afrikanischer Politiker der Communauté deutlich, dass für sie die Reisen im frankophonen Kontext vertrautes Terrain blieben, während ihre Reisen ins anglophone Afrika oder auch in die Länder des Ostblocks oftmals von Missverständnissen geprägt waren.

Basierend auf Zeitungsberichten sowie auf Archivquellen insbesondere aus dem Senegal, aus Frankreich und aus Großbritannien, betrachtet das Forschungsprojekt die Reiserouten, das diplomatische Protokoll und das Besuchsprogramm vor Ort. Es geht dabei sowohl um die Reiseplanung als auch um die mediale Berichterstattung und individuelle Berichte über die Reisen. Untersucht wird die steigende Anzahl von Reisen und neuen Reisedestinationen sowie die Dauer von Reisen und Aufenthalt (aber auch der Abwesenheit vom Heimatort). Besonderes Augenmerk liegt auf der Neu-Aushandlung des diplomatischen Zeremoniells insbesondere bei Reisen afrikanischer Politiker in einer Zeit schnellen politischen Wandels. Von speziellem Interesse sind außerdem all jene Momente, die sich der Kontrolle der Reiseplanung entzogen (von Verspätungen und Missverständnissen bis zu Protesten).

Bildnachweis: Silvanus Olympio, Senghor Dakar 1960, Wikimedia Commons.