Forschungsprojekt

Confoederatio literaria: Alltägliche Korrespondenz der städtischen Kantone (15.–16. Jahrhundert)


Die spätmittelalterlichen Fürstentümer der Deutschschweiz waren sich ihrer kritischen politischen Lage bewusst. Davon zeugt das Stanser Verkommnis von 1481: Trotz erfolgreicher Feldzüge waren die Eidgenossen vor Abschluss dieses Vertrags tief gespalten. Der Asket Niklaus von Flüe erinnerte sie jedoch an den Ursprung ihres Glücks: Gottesgunst und Gemeinschaftsgeist. Der Bundesschluss beendete den tiefen Zwist: das Bündniss wurde erneuert und die Städte Fribourg und Solothurn traten der Eidgenossenschaft bei. Sie schlossen sich den Kantonen von Uri, Schwitz, Unterwald und Glaris, welche zunächst gegen die Eingliederung waren, sowie den städtischen Kantonen Zug, Luzernen, Zürich und Bern an. Mit den letzten drei unterschrieben sie 1477 ein ewiges Burgrecht, welches jedoch bald wieder abgeschafft wurde.

Diese Eidgenossenschaft war kein Staat im modernen Sinne, die Eidgenossen mussten sich untereinander und mit den benachbarten Fürstentümern, von denen einige später der Eidgenossenschaft beitraten, arrangieren. Trotz ihrer faktischen Selbstverwaltung seit Ende des 15. Jahrhunderts blieben die Kantone bis zum Westfälischen Frieden 1648 Untertanen des römischen Kaisers.

In der Eidgenossenschaft soll hier aber nicht das gesucht werden, was sie nicht ist: eine beliebige Staatsform. Ziel des Projekts ist es vielmehr, die Logik der Erweiterungen [...] und die Beziehungen der Kantone untereinander und zu ihren Nachbarn besser zu verstehen.

Das Dissertationsprojekt steht in diesem südgermanischen und alemannischen Kontext. In der Eidgenossenschaft soll hier aber nicht das gesucht werden, was sie nicht ist: eine beliebige Staatsform. Ziel des Projekts ist es vielmehr, die Logik der Erweiterungen von 1481, 1501 und 1513 und die Beziehungen der Kantone untereinander und zu ihren Nachbarn besser zu verstehen. Als Quellengrundlage dienen die Missivenbücher. Aufgrund ihres alltäglichen Charakters sind sie ein hervorragendes Zeugnis für die komplexen Beziehungen zwischen den Fürstentümern. In den meisten Stadtkantonen sind bis heute zahlreiche Kodizes erhalten. Sie enthalten vorbereitende Abschriften der Missiven, die der Rat an seine Gesprächspartner richtete. Diese Dokumente wurden meist in der Landessprache, manchmal auch in Latein verfasst. Distant reading, die quantitative Analyse der Metadaten und ein traditioneller Quellenvergleich anhand eines strukturierten Korpus sollen neue Erkenntnisse über diese bisher nicht systematisch erforschten Dokumente ermöglichen.

Bildnachweis: Diebold Schilling der Junge, Darstellung des stanser Verkommnis von 1481, Amtliche Luzerner Chronik, 1513, Public domain CC0 1.0