Forschungsprojekt

Zwischen Altem Reich und atlantischer Plantagenwirtschaft: Das Handelsimperium des Friedrich Romberg (1729–1819)


In den letzten Jahren zeigte verstärkte Forschung eine vielschichtige Beteiligung der Deutschen am Kolonialhandel über den Atlantik auf. Dabei standen die Verbindungen und Verflechtungen des Heiligen Römischen Reiches mit den Plantagen der Neuen Welt im Vordergrund. Der Begriff des »Slavery Hinterland«1 (Felix Brahm, Eve Rosenhaft (Hg.), Slavery Hinterland: Transatlantic Slavery and Continental Europe, 1680–1850. Woodbridge/UK, Rochester/NY 2016) als einem Raum, der vor allem Mittel- aber auch Ost- und Südeuropa umfasst, hat sich als ertragreich für das größere Forschungsfeld der Studien zur transatlantischen Kolonialgeschichte erwiesen.

In diesem Kontext ist das vorliegende Projekt zum Unternehmer Friedrich Romberg (1729–1819) zu verorten. Der aus Westfalen in den 1750er Jahren mit geringem Vermögen nach Brüssel ausgewanderte Unternehmer war zur Mitte der 1780er Jahre wahrscheinlich der vermögendste Europäer geworden. Er vereinigte in seinem Unternehmen über eine Tochterfirma in Bordeaux Anteile an fast 60 Plantagen in Santo Domingo, er war Haupteigentümer einer Flotte von zeitweise deutlich mehr als 100 Hochseeschiffen und besaß zwei Textilfabriken in Brüssel (die Fabrique d’Impression à la Chartreuse und die Fabrique de Velours et Etoffes de Cotton au Nieuland). Zudem betrieb er eine transkontinentale Spedition von Ostende bis Neapel und war der wesentliche Kapitaleigner bei einer Seeversicherung in Brügge, sowie einem auf den Kolonialhandel spezialisierten Subunternehmen in Gent. Auch in der Kronfinanz betätigte er sich, vor allem für das Haus Habsburg. Romberg war zudem als prominentes Mitglied der protestantischen Gemeinde in Brüssel ein wichtiger Partner für Unternehmer aus dem Alten Reich und dem Corpus Helveticum.

Eine Projekthypothese ist, dass Rombergs Erfolg auf die kombinierte Nutzung mehrerer Sektoren im Weltwirtschaftssystem des späten 18. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Unter kaiserlichem Schutz in Brüssel agierend, monopolisierte Romberg in seinen verschiedenen Firmenbereichen den Austausch und die Veredelung von kontinentaleuropäischen Produkten und Kolonialwaren und maximierte so die Gewinnspannen in den zu der Zeit profitabelsten Geschäftsfeldern.

Das Projekt [...] nähert sich über die Untersuchung der Unternehmen Friedrich Rombergs einer Fundamentalfrage der Zusammenhänge der globalen Wirtschaftsgeschichte und des atlantischen Kolonialhandels: dem Wandel von familienbezogenen Gesellschaften hin zu institutionalisierten Unternehmen [...].

Das Projekt nimmt das Konzept der »Slavery Hinterlands« auf und nähert sich über die Untersuchung der Unternehmen Friedrich Rombergs einer Fundamentalfrage der Zusammenhänge der globalen Wirtschaftsgeschichte und des atlantischen Kolonialhandels: dem Wandel von familienbezogenen Gesellschaften hin zu institutionalisierten Unternehmen, vor allem in der Sattelzeit (ca. 1750–1850). Dabei wird nicht allein auf einen Wandel der Rechtsform, sondern auf steigende Bürokratisierung und »Entpersönlichung« der Geschäftstätigkeiten nach 1800 rekurriert. Als Voraussetzung hierfür wird eine substantielle Kapitalakkumulation nicht nur einer, sondern vieler Firmen gesehen, die auf ähnlichen Märkten operierten und ein besonders hohes Maß an Komplexität aufwiesen. Diese Entwicklungen machten eine formale Institutionalisierung der Unternehmen notwendig, die damit erst in die Lage versetzt wurden, unter Bedingungen paradigmatischer Unsicherheit zu operieren.

Die Unternehmen Rombergs sind aus mehreren Gründen für eine Studie im genannten Sinne geeignet. Seine Haupt- und Teilfirmen weisen viele ›moderne‹ Aspekte von Unternehmen auf, die sie in ihrer eigenen Zeit außergewöhnlich machten. Er spezialisierte seine verschiedenen, auch im Ausland aufgebauten Niederlassungen auf sich ergänzende Teilbereiche zur Organisation des globalen Handels. Er kontrollierte lange und komplexe Lieferketten und modernisierte regelmäßig seine Maschinen in den Textilfabriken. Stimulus und Kapital hierzu kamen jedoch, so die Annahme des Projektes, nicht primär aus dem Kolonialhandel. Das Engagement im kolonialen Raum brachte dem Unternehmen vielmehr eine weitere Komplexitätsebene, die eine fortschreitende Transformation zur stärker institutionalisierten Firma bedingte. Deren Struktur war wiederrum für die Anwendung technischer Neuerungen besonders offen.

Für das Projekt werden Quellen aus französischen und belgischen Archiven verwandt. Ziel der Fragestellung ist die Erforschung einer der bedeutendsten deutsch-belgischen Firmen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In Rombergs Unternehmen sehen wir dabei, selbst im gesamteuropäischen Vergleich, ›modernere‹ Firmenstrukturen verhältnismäßig früh als maßgebliche Strukturelemente hervortreten. Ihre wissenschaftliche Untersuchung verspricht eine besonders tiefe Durchleuchtung einer zentralen Epochenschwelle der allgemeinen Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte.

Bildnachweis: Porträt von Friedrich Romberg, Künstler und Entstehungszeit unbekannt, wohl um 1770. Den Nachfahren Friedrich Rombergs wird für die Erlaubnis zur Nutzung der Abbildung gedankt.


1 Felix Brahm, Eve Rosenhaft (Hg.), Slavery Hinterland: Transatlantic Slavery and Continental Europe, 1680–1850. Woodbridge/UK, Rochester/NY 2016.