Forschungsprojekt

Laboratorien der Staatsbürgerlichkeit: Bürgergarden in Spanien und Frankreich im 19. Jahrhundert

Doktorandin 2017–2019 am DHIP

(Stand: Juni 2019, diese Seite wird nicht weiter aktualisiert.)


Professionelle Polizei und Armeekräfte sind fester Bestandteil moderner Staatlichkeit. Versuche von Bürgern, Sicherheitsaufgaben selbst zu übernehmen, rufen heute vielfach Befremden hervor. Dies hat unlängst die Formierung von »Bürgerwehren« nach den Geschehnissen der Kölner Silvesternacht 2016 gezeigt. Durchaus anders war hier die Wahrnehmung des 19. Jahrhunderts. Damals verfügten nicht nur zahlreiche europäische Länder über lokal organsierte nicht-professionelle Sicherheitskörper aus bewaffneten Bürgern. Vielmehr erschienen diese Bürgergarden gerade progressiven Denkern als ernstzunehmende Alternative zu Polizei und Armee und damit auch zu Militarismus und Obrigkeitsstaat. Schließlich versprachen sie Selbstverwaltung und zivilgesellschaftliche Verankerung.

Im 19. Jahrhundert erschienen Bürgergarden gerade progressiven Denkern als Alternative zu Polizei und Armee und damit auch zu Militarismus und Obrigkeitsstaat

Ausgehend von diesem Wahrnehmungswandel beschäftigt sich das Forschungsprojekt mit Bürgergarden in Frankreich und Spanien während des 19. Jahrhunderts, also mit der Garde nationale und der Milicia nacional. Es stellt die mit diesen Einrichtungen verknüpften Erfahrungen und Erwartungen ins Zentrum und verfolgt, wie sich schon bald ein zunehmend kritischer Blick auf sie abzeichnete, ehe sie dann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verschwanden. Die Arbeit basiert auf einer Auswertung u.a. von Parlamentsdebatten, Presseerzeugnissen und Pamphleten, die eine Analyse der öffentlichen Auseinandersetzungen und institutionellen Entwicklungen erlauben. Die so gewonnenen Ergebnisse werden durch lokale Archivbestände zu Fallbeispielen ergänzt. So sollen Einblicke in die Wahrnehmung von Staat, Staatsbürgerlichkeit und den jeweiligen Zuständigkeiten gewonnen werden. Die Studie auf Spanien und Frankreich zu konzentrieren, erlaubt, zwei mit Blick auf Nationalstaatsbildung oftmals als gegensätzlich betrachtete Fälle zu untersuchen und nach Transferprozessen zu fragen.

Abbildung: A la milicia nacional, Barcelona, 1855, Calaix/Department of Culture, Generalitat de Catalunya, http://hdl.handle.net/10687/120957.