09.10.2018

Das Ende des Krieges: Frankreich, Deutschland und Europa (1917‒1923)

Les communautés de deuil

  • 20. und 21. Jahrhundert Vortrag
  • 18:30 Uhr (09.10.) - 20:00 Uhr (09.10.)
  • DHIP

Stéphane Audoin-Rouzeau (École des hautes études en sciences sociales), »Individuelle Trauer nach dem Ersten Weltkrieg«

Silke Fehlemann (Universität Düsseldorf), »Erinnerung,  Trauer und Sinnstiftung. Gedenkkulturen der Zwischenkriegszeit im Deutschen Reich«

Zum Vortrag von Stéphane Audoin-Rouzeau, »Individuelle Trauer nach dem Ersten Weltkrieg«:

Historiker konzentrieren sich schon seit geraumer Zeit auf die kollektive Trauer, die aus dem Massensterben während des Ersten Weltkriegs resultierte. Dagegen hat die individuelle Trauer, wie sie innerhalb von Familien und durch die historischen Akteure erlebt wurde, bisher nur wenig Aufmerksamkeit gefunden. Kann eine Geschichte der Emotionen den Schmerz des Verlustes näherbringen? Welche Methoden müsste sie anwenden, welche Quellen auswerten? Welchen Erkenntnisgewinn verspricht eine solche Herangehensweise? Auf diese Fragen sucht der Vortrag eine Antwort zu finden.

Zum Vortrag von Silke Fehleman, »Erinnerung,  Trauer und Sinnstiftung. Gedenkkulturen der Zwischenkriegszeit im Deutschen Reich«:

Während des Ersten Weltkriegs ist die Frage der angemessenen Trauer um die Gefallenen öffentlich verhandelt worden. Das Gefühlsregime einer »stillen Trauer« entwickelte sich immer mehr zu einer Kompromissformel, mit der sowohl tiefe Verlustgefühle als auch Durchhalteforderungen der Kriegsgesellschaft zusammengeführt werden konnten. Das Bild der »Stillen Trauer« bildete eine Konstante, die auch in der Weimarer Republik noch wirksam blieb und die Trauer vieler Angehöriger weithin aus der Öffentlichkeit verdrängen konnte. Dies trug – zusammen mit anderen Faktoren – zu einer politischen Ausgrenzung der Hinterbliebenen bei. Ihnen wurde auf lokalen Gedenkveranstaltungen vor Ort kaum Raum gegeben, das Gedenken war militärisch und männlich dominiert, obwohl die Zivilbevölkerung erheblich unter dem Krieg gelitten hatte.

Der »Kriegserinnerungs-Boom« zum Ende der zwanziger Jahre beförderte allerdings die Konjunktur von soldatischen als auch zivilen Kriegserzählungen. Nun entwickelten sich zwei gegensätzliche Leitbilder. Die Thematisierung von Trauer ohne überhöhte Sinnstiftung boten sozialdemokratische und linksliberale Akteure an, während sich im nationalkonservativen Bürgertum mehr und mehr eine religiös gefärbte Überhöhung der gefallenen Soldaten durchsetzte. Die erstarkende nationalsozialistische Bewegung – besessen vom Krieg und in Metaphern des Kampfes verharrend – knüpfte an diese Interpretationen an und inszenierte sich als Erlösungsbewegung,  welche die Wunden der Niederlage wieder gut machen könne.

Die Veranstaltung ist Teil der Reihe »Les sorties de guerre – France, Allemagne, Europe 1917-1923«, organisiert vom DHIP und der Mission du Centenaire de la Première Guerre mondiale.

Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 eröffnete eine Phase langwieriger und komplexer Friedensverhandlungen, die im Kontext von Grenzverschiebungen und territorialer Neuordnung stattfanden. Dabei bedeutete der Waffenstillstand nicht das sofortige Ende von Kampfhandlungen und Gewalt, er wich oftmals Phasen revolutionärer Spannungen und Erhebungen, die die Geschichte der Zwischenkriegszeit zutiefst prägten. Parallel suchten die europäischen Gesellschaften, die Folgen des Krieges zu bewältigen. Sie entwickelten ein zum Teil widersprüchliches Gedenken an den Krieg, der mit hohen Opfern und Gefallenen verbunden war, in Deutschland und Frankreich aber auch den Beginn einer neuen politischen und sozialen Ära bedeutete. Der Krieg hatte das Ende der Belle Epoque besiegelt, um zugleich dem Internationalismus und Pazifismus der 1920er und 1930er Jahre zum Aufschwung zu verhelfen.
Vier große Themen, die miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen, gehen aus der geschilderten Problematik hervor: Revolution, Friedensverträge, Wiederaufbau, Gedenken.

Informationen und Anmeldung: event@dhi-paris.fr