

Hibist Kassa ist gegenwärtig »Policy Interface Fellow« am Institute for Environmental Futures der Univ. Leicester (UK). Von September bis Dezember 2024 war sie Junior IFG Fellow in der Interdisciplinary Fellow Group 11 zum Thema »Sustainability in West Africa’s Gold Mining Sector« am Merian Institute for Advanced Studies in Africa (MIASA) an der Univ. Ghana.
Die zeitgenössische Nachhaltigkeitsagenda, die in eine neoliberale Weltordnung eingebettet ist, reproduziert koloniale Machthierarchien, indem sie sich auf elitäres Fachwissen und marktbasierte Lösungen stützt. Intersektionale feministische Analysen zeigen, wie dieses System Ungleichheiten – die in Ethnie, Klasse und Geschlecht wurzeln – aufrechterhält, von der historischen Abwertung von Pflegearbeit bis hin zur aktuellen Ausbeutung von Bergarbeitern. Das Aufkommen der »Broligarchen« – einer neuen Klasse von Eliten der digitalen und grünen Wirtschaft – veranschaulicht diese Dynamik, da ihre Akkumulationsstrategien die Forderungen des Globalen Südens nach Schuldengerechtigkeit und Klimareparationen systematisch ausblenden. Dies verdeutlicht die historische Niederlage der Neuen Weltwirtschaftsordnung (VWWO), so Adom Getachew, als gerade erst unabhängig gewordene Staaten eine strukturelle Umgestaltung der Weltwirtschaft forderten.
Heutige Nachhaltigkeitsinitiativen erleichtern neue Formen des Umweltkolonialismus: In der Demokratischen Republik Kongo sind Kobaltbergleute brutalen Arbeitsbedingungen ausgesetzt, um erneuerbare Energien zu fördern und in Ghana wehrt sich eine Graswurzelbewegung zum Schutz von Waldreservaten gegen den Bauxitabbau. In Kenia und Tansania werden indigene Gemeinschaften durch marktorientierte Naturschutzprogramme verdrängt, die den kolonialen Landraub spiegeln. Dennoch setzen sich basisdemokratische Akteure für alternative Strukturen ein, in deren Mittelpunkt indigene Souveränität, ökologisches Wissen und feministische Pflegeökonomien stehen. Nachhaltigkeit, die Gerechtigkeit und Gleichheit in den Mittelpunkt stellt, erfordert den Abbau der Strukturen elitärer Macht und Expertise, die derzeit die globale Umweltpolitik bestimmen. Der Weg in die Zukunft führt nicht über isolierte technische Interventionen, sondern über deren Einbettung in eine emanzipatorische Zukunft, die vergangene und gegenwärtige Kämpfe um Gleichheit und Gerechtigkeit würdigt.
Kommentar: Andrew Thompson (Univ. Oxford)
Anmeldung: über das Anmeldeformular von Sciences Po Paris
Wo:
Sciences Po Paris
1 Place Saint-Thomas d’Aquin
Grands salons
75007 Paris
Veranstaltung in englischer Sprache.
In Kooperation mit dem Centre d’Histoire de Sciences Po Paris und dem Projekt »Global orders« der Univ. Oxford.
Der Keynote-Vortrag findet im Rahmen des Workshops »Sustainability, Expertise and the Global Order« an der Sciences Po Paris statt. Der versammelt eine Reihe von Fallstudien, um die Frage nach der Ausbeutung »natürlicher Ressourcen« in kolonialen und globalen Zusammenhängen ab dem 18. Jahrhundert zu untersuchen und wird von Patricia Clavin (Univ Oxford) und Jakob Vogel (Sciences Po Paris) organisiert. Der Workshop ist nicht öffentlich, der Keynotevortrag ist nach Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich.
Bildnachweis: Office for Emergency Management. Office of War Information. Domestic Operations Branch. Bureau of Special Services (03/09/1943–09/15/1945), Conservation Farming, zwischen 1941 und 1945, National Archives at College Park, Wikimedia Commons.