28.09.2022

Online und vor Ort: Weshalb bringt man seinen Nachbarn um?

Gewalt als historisches, religiöses und anthropologisches Phänomen. Mit Jan Assmann, Denis Crouzet, Vincent Duclert und Naïma Ghermani.

  • Podiumsdiskussion Frühe Neuzeit 20. und 21. Jahrhundert Afrika
  • 18:00 Uhr (28.09.) - 20:00 Uhr (28.09.)
  • DHIP

In Deutschland haben Jan Assmanns Überlegungen über Monotheismus und Gewalt intensive Diskussionen ausgelöst. Haben die »mosaische Unterscheidung« zwischen wahrer und falscher Religion und der monotheistische Glaube an den einen eifersüchtigen Gott, der die eine und absolute Wahrheit verkündet und vertritt, eine neue Art von Gewalt unter den Menschen legitimiert und verbreitet?

Aus Anlass des Jubiläums der Bartholomäusnacht vom 23./24. August 1572 wird Jan Assmann seine grundsätzlichen Überlegungen zum Thema als Ausgangspunkt präsentieren. Welche Erklärungskraft haben solche religionsgeschichtlichen Makrotheorien, um das Verhalten von Menschen in konkreten (Bürger-)Kriegssituationen zu erklären? Denis Crouzet als Spezialist der französischen Religionskriege wird diese Problematik in seinen Kommentar zu Jan Assmann einbringen. Dabei geht es nicht um die großen politischen Konflikte der damaligen Adelsfraktionen untereinander und mit der Krone oder zwischen Frankreich und Spanien und ebenso wenig um die Frage, wer wann und aus welchen Motiven einzelne Morde und dann die Massaker ausgelöst hat. Im Vordergrund steht vielmehr die Motivation der zahlreichen Täter im ganzen Königreich, die ihnen bekannte Andersgläubige und oft Nachbarn verfolgten und ermordeten.

Solche Massaker sind bekanntlich kein religiöses Phänomen. Beim Genozid an den Tutsi in Ruanda etwa spielten Kirchen und Kleriker zwar manchmal eine sehr problematische Rolle, doch lässt er sich nicht mit religiösen Wahrheitsansprüchen erklären. Vincent Duclert als ehemaliger Vorsitzender der Mission d’étude sur la recherche et l’enseignement des génocides et crimes de masse sowie der Commission de recherche sur les archives françaises relatives au Rwanda et au génocide des Tutsi wird in seinem Kommentar die Frage aufgreifen, inwiefern Religion eine Spezialform kollektiver Gewalt hervorbringt oder diese verstärkt, in bestimmte Richtungen lenkt – oder auch abmildert.

Im Anschluss an die Präsentation der Thesen und Kritiken debattieren die Podiumsteilnehmer zuerst unter der Leitung von Naïma Ghermani untereinander, bevor die Diskussion für das Publikum geöffnet wird.

Podiumsdiskussion mit Simultanübersetzung (Deutsch-Französisch)

Anmeldung für eine Teilnahme vor Ort: event@dhi-paris.fr
Anmeldung für eine Online Teilnahme: Zoom

Bildnachweis: Massaker während der Bartholomäusnacht in Paris 1572, Jan Luyken, 1696, Rijksmuseum.