Sprachen der russischen Diplomatie des achtzehnten Jahrhunderts im europäischen Kontext
Von der DFG gefördertes Forschungsprojekt
Das Projekt untersucht die Entwicklung sprachlicher Praktiken in der europäischen Diplomatie des »langen« 18. Jahrhunderts und insbesondere den Aufstieg des Französischen zur Universalsprache der Diplomatie. Es ist kein Geheimnis, dass Französisch zu dieser Zeit die vorherrschende Sprache europäischer Eliten im Allgemeinen war. Es ist aber erstaunlich wenig darüber bekannt, wie dieser kulturelle und sprachliche Trend maßgebliche sprachliche Veränderungen in spezifischen »professionellen« Bereichen wie der Diplomatie herbeiführte. Ziel des Projekts ist es, Tempo, Mechanismen und Gründe für diesen Wandel zu erforschen und darzustellen. Auch zeitgenössische Phänomene, wie die »universellen« Sprachen in bestimmten Berufsfeldern, können so besser verstanden werden.
Während ein Großteil der Forschung zu diesem Thema bisher spezifische westeuropäische Länder und eher enge Zeiträume betrachtete, nimmt das Projekt eine breitere Perspektive ein. Es verfolgt die Veränderungen nicht nur über das gesamte »lange« 18. Jahrhundert hinweg sondern lenkt die Aufmerksamkeit auf Russland und die Entwicklungen an der »Peripherie« Europas. Russland wird im historischen Kontext Preußens, der Habsburger Monarchie, Schwedens und gelegentlich weiterer Staaten betrachtet.
Ein zentrales Thema des Projekts ist die gleichzeitige Entwicklung von sprachlichen Praktiken der europäischen Diplomatie und von Praktiken im Bereich Soziabilität und Bildung. Diese beiden sind eng miteinander verbunden. Die »professionellen« sprachlichen Praktiken der Diplomaten sollen im Kontext ihrer kommerziellen, freimaurerischen und sozialen Kontakte untersucht werden, da diese sich wahrscheinlich auf ihre Sprachwahl in der diplomatischen Korrespondenz auswirkten. Dies gilt insbesondere für russische Diplomaten. Die verschiedenen kulturellen und sozialen Rollen, die ein Diplomat im 18. Jahrhundert zu spielen hatte, waren möglicherweise eine besondere Herausforderung für diese, da solche Rollen in Russland selbst relativ neu waren.
Das Projekt befasst sich mit Sprachgebrauch in verschiedenen Kommunikationsformen (offiziell und privat, schriftlich und, wenn möglich, mündlich); mit den Praktiken des Fremdsprachenstudiums; mit der ethnischen Zusammensetzung des diplomatischen Korps und den Auswirkungen seiner Vielfalt auf die Sprachen der Diplomatie. Schließlich befasst es sich mit den Spannungen, die durch das Hervortreten des Französischen als gesamteuropäische Diplomatensprache vor dem Hintergrund des aufkommenden Proto-Nationalismus entstanden. Die europäischen Länder besannen sich zu diesem Zeitpunkt auf ihre historischen Wurzeln und ergriffen politische Maßnahmen zur Förderung ihrer eigenen Landessprachen (insbesondere Russland schrieb Diplomaten in bestimmten Situationen vor, russisch zu sprechen). Letztlich wird die Studie einen Beitrag zur laufenden Diskussion über die Entstehung der »modernen« Diplomatie in Europa leisten und helfen, die traditionelle Sichtweise der Aufteilung zwischen Zentrum und Peripherie in der europäischen Diplomatiegeschichte zu überdenken.
Bildnachweis: Antioch Dmitrievich Kantemir, J. Amigoni © Wikimedia Commons