Frühe Neuzeit

Forschungsprojekt

The Cosmology of Markets. Speculation in Eighteenth Century Europe

Abteilungsleiterin Frühe Neuzeit

CZabel@dhi-paris.fr


Das Projekt untersucht den Umgang mit ökonomischer und finanzieller Spekulation im Frankreich des 18. Jahrhunderts, bettet die Analyse jedoch in einen größeren temporalen und europäischen Kontext ein. Dabei verbindet es einen wirtschaftsgeschichtlichen mit einem wissens- und wissenschaftsgeschichtlichen Ansatz zu einer Kulturgeschichte der Ökonomie. Es fragt konkret danach, welche Wissensformen in Bezug auf Spekulation genutzt wurden: Wie dachten und sprachen Zeitgenossen über Spekulation? Welche Praktiken verbanden sie mit ihr?

Eine Untersuchung der zeitgenössischen Wahrnehmung der ersten internationalen Aktiencrashs um 1720 zeigt, dass hier nicht auf ökonomische oder finanzielle Spekulation verwiesen wurde. Vielmehr taucht der Rekurs auf ökonomische Spekulation erst Mitte des 18. Jahrhunderts auf, als polit-ökonomische Denker in Frankreich begannen, die Liberalisierung des Getreidehandels zu verteidigen und eine »politische Ökonomie der Spekulation« zu entwerfen. Letztere war geprägt von der Überzeugung, dass ein Markt nicht vom Staat reguliert werde könne, sondern allein auf dem Profitinteresse der Händler beruhen müsse. Händler sollten demnach ihre vorausschauenden Fähigkeiten stärken: Wie Astronomen die Bewegungen der Sterne und Himmelskörper erspähten, beobachteten sie die Bewegungen des Marktes; sie berechneten dessen Entwicklung, antizipierten mögliche Szenarien und »spekulierten« stets aufs Neue auf den besten Zeitpunkt und Ort ihrer Transaktionen.

Das Projekt fragt konkret danach, welche Wissensformen in Bezug auf Spekulation im 18. Jahrhundert genutzt wurden: Wie dachten und sprachen Zeitgenossen über Spekulation? Welche Praktiken verbanden sie mit ihr?

»The Cosmology of Markets« zeichnet nach, wie Finanzmathematiker, etwa Emmanuel-Etienne Duvillard, seit den 1780er Jahren diese eher wortgeleitete politische Ökonomie der »Spekulation« mit neuen mathematischen Kalkulationspraktiken verbanden. Damit sollte die für den französischen Staat kostspielige Praxis der Leibrenten, bei der ein Kredit gegen das Versprechen einer künftigen Rentenzahlung verkauft wurde, reformiert werden. Durch die Erfahrung der Insolvenz des französischen Staates, die nicht zuletzt durch Darlehen in Form dieser Leibrenten begründet war, geriet Spekulation in den Revolutionsjahren zunehmend unter den Verdacht der Wucherei und erhielt die Konnotation eines eigensüchtigen Spiels mit dem Allgemeinwohl. Diese Umdeutung hatte auch Auswirkungen auf die Interpretation der Vergangenheit: Europäische Zeitgenossen entdeckten nun die früheren Finanzpraktiken um die sogenannte Mississippi- oder Südseeblasen von 1720 ebenfalls als »Spekulation«.