Forschungsprojekt

Bischöfliche Netzwerke in der Kirchenprovinz Reims (1050–1150)


Bischöfe nehmen eine zentrale Rolle in der politischen Geschichte des hochmittelalterlichen Europas ein. In ihrem Amt vereinten sich Aspekte geistlicher und weltlicher Herrschaft, die mit einem breiten Aufgabenspektrum verbunden waren. Dieses reichte von der Herrschaftsorganisation in der eigenen Diözese bis hin zu Diensten für Könige und Päpste. Das Dissertationsprojekt von Sebastian Gensicke untersucht am Beispiel der Kirchenprovinz Reims im Zeitraum von 1050 bis 1150, inwiefern Bischöfe als eigenständige Herrschaftsträger fungierten und wie sie mit den Anforderungen umgingen, die auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene an sie gestellt wurden.

Die Reimser Kirchenprovinz stellt aus dieser Perspektive eine komplexe politische Landschaft dar, in der sich die Einflusssphären miteinander konkurrierender Herrschaften überschnitten. Der Untersuchungszeitraum war zudem durch die heute unter dem Schlagwort der »gregorianischen Reform« zusammengefassten Prozesse geprägt. Im Spannungsfeld der unterschiedlichen Reformbestrebungen lässt sich für jeden Bischof eine eigene und sicher nicht immer konsistente Position feststellen. Zur Beurteilung des politischen Handelns der Prälaten muss daher der jeweilige Kontext berücksichtigt werden: Neben den durch die Kirchenhierarchie und die französische Reichsstruktur bedingten Beziehungen waren die Reimser Erzbischöfe und ihre Suffragane vor allem durch ihre familiäre Herkunft, Ausbildung und Karriere in vielschichtige und weitreichende Netzwerke eingebunden. Diese Beziehungsgeflechte sollen im Rahmen einer historischen Netzwerkanalyse erschlossen werden.

Das Dissertationsprojekt untersucht am Beispiel der Kirchenprovinz Reims im Zeitraum von 1050 bis 1150, inwiefern Bischöfe als eigenständige Herrschaftsträger fungierten und wie sie mit den Anforderungen umgingen, die auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene an sie gestellt wurden.

Insbesondere die bischöflichen, aber auch königliche und päpstliche Urkunden sind zentrale Quellen für die Kontakte, Kooperationen und Konflikte, an denen die Prälaten beteiligt waren. Als Ergebnisse von Aushandlungsprozessen bezeugen sie nicht nur Rechtsansprüche und kommunizieren Herrschaftsauffassungen, sondern auch die Spielräume bischöflicher Kooperationen. Anhand ihrer graphischen und inhaltlichen Gestaltung lassen sie zudem Aussagen über das Selbstverständnis und die Erwartungen der an der Urkundenausstellung beteiligten Akteure zu. Erweitert wird die Untersuchungsperspektive durch historiographische Texte, die das Quellenkorpus ergänzen und weitere Einblicke in die Handlungsstrategien der Bischöfe und ihre Beziehungsgefüge gewähren.

Zur Abbildung:
Netzwerk der Erzbischöfe (hellrot) und Bischöfe (rot) sowie Äbte und Äbtissinnen (grün) in der Reimser Kirchenprovinz zwischen 1096 und 1124.
Der mit Gephi erzeugte Graph basiert auf den Nennungen von Personen in den Urkunden der Reimser Erzbischöfe Manassès II und Raoul le Verd sowie der Bischöfe Robert von Arras, Lambert von Arras und Barthélemy von Laon.
Größe der Knoten: Anzahl verbundener Kanten (Degree, Werte: 1–58)
Dicke der Kanten: Anzahl der Urkunden mit gemeinsamer Nennung (Werte: 1–15)
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