03.04.2018

Das Ende des Krieges: Frankreich, Deutschland und Europa (1917‒1923)

1919–1923. Quelles politiques mémorielles des États?

  • 20. und 21. Jahrhundert Vortrag
  • 18:30 Uhr (03.04.) - 20:30 Uhr (03.04.)
  • DHIP

Élise Julien (Sciences Po Lille): Entspannung oder Fortsetzung des Krieges? Die ungleiche Gedenkpolitik in Deutschland und Frankreich

Marco Mondini (Istituto storico italo-germanico, Trient / Universität Padua): Der seltsame Sieg. Wie Italien nicht aus dem Krieg herauskam

Zum Vortrag von Élise Julien:
Entspannung oder Fortsetzung des Krieges? Die ungleiche Gedenkpolitik in Deutschland und Frankreich

Auch wenn sich die Erfahrungen des Weltkrieges in Frankreich und Deutschland ähnelten, so war die Divergenz zwischen den Interpretationen und nationalen Narrativen frappierend. Dies ist dem Kontext geschuldet, in dem sich die Akteure mit den Fragen des Gedenkens befassten. Der französische und der deutsche Staat befanden sich in diametral entgegensetzten Situationen, was mit der Kontinuität des politischen Regimes der Dritten Republik sowie mit der deutschen Revolution und dem Systemwandel zu Beginn der Weimarer Republik im Zusammenhang stand. Daraus resultierte ein jeweils spezifischer Handlungsspielraum und führte in beiden Fällen zu einer sehr unterschiedlichen Umsetzung der Gedenkpolitik.

Zum Vortrag von Marco Mondini:
Der seltsame Sieg. Wie Italien nicht aus dem Krieg herauskam

Zwar zählte Italien 1918 zu den Siegern des Großen Krieges, doch führte dessen Ende zu einem Gefühl der Niederlage und Erniedrigung. Hinter diesem Paradox stand das Scheitern der politischen, militärischen und kulturellen Demobilisierung. Die seit 1915 an der Macht stehende liberale Regierung war unfähig, eine kohärente Strategie für den Austritt des Landes aus dem Krieg zu entwickeln. Veteranen und deren Familien beobachteten, wie der Staat keine einzige Feier aus Anlass des Sieges von 1919 organisierte. Die öffentliche Meinung und die Bourgeoisie betrachteten die Liberalen als Verräter und warfen ihnen vor, sich vor einer subversiven und antipatriotischen Bewegung zu fürchten (in der Tat glaubten viele Staatsmänner, dass sich der Bolschewismus auch in Italien ausbreiten könnte). Daneben führte das komplette Fehlen einer zentralisierten Politik zu einem polyzentrisch organisierten Gedenken: Zwar war das Land bald von Denkmälern übersät, jedoch wurden diese Initiativen von der lokalen Verwaltung und Zivilvereinen finanziert, welche ganz unterschiedliche ideologische Ziele verfolgten. Die einen suchten einen patriotischen Stolz zu verbreiten, während aristokratische Kreise die Idee des Kriegsopfers ablehnten. Das staatliche Versagen hatte darüber hinaus zur Folge, dass die sozialen und ideologischen Gräben fortbestanden, welche die italienische Gesellschaft beim Kriegseintritt 1915 gekennzeichnet hatten. Nach Kriegsende führten diese Gegensätze zum Ausbruch eines neuen Bürgerkrieges, der den Boden für den aufstrebenden Faschismus bereitete.

Die Veranstaltung ist Teil der Reihe »Les sorties de guerre – France, Allemagne, Europe 1917-1923«, organisiert vom DHIP und der Mission du Centenaire de la Première Guerre mondiale.

Der Waffenstillstand vom 11. November 1918 eröffnete eine Phase langwieriger und komplexer Friedensverhandlungen, die im Kontext von Grenzverschiebungen und territorialer Neuordnung stattfanden. Dabei bedeutete der Waffenstillstand nicht das sofortige Ende von Kampfhandlungen und Gewalt, er wich oftmals Phasen revolutionärer Spannungen und Erhebungen, die die Geschichte der Zwischenkriegszeit zutiefst prägten. Parallel suchten die europäischen Gesellschaften, die Folgen des Krieges zu bewältigen. Sie entwickelten ein zum Teil widersprüchliches Gedenken an den Krieg, der mit hohen Opfern und Gefallenen verbunden war, in Deutschland und Frankreich aber auch den Beginn einer neuen politischen und sozialen Ära bedeutete. Der Krieg hatte das Ende der Belle Epoque besiegelt, um zugleich dem Internationalismus und Pazifismus der 1920er und 1930er Jahre zum Aufschwung zu verhelfen.
Vier große Themen, die miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen, gehen aus der geschilderten Problematik hervor: Revolution, Friedensverträge, Wiederaufbau, Gedenken.

Informationen und Anmeldung: event@dhi-paris.fr