In ganz Europa hat der Zweite Weltkrieg die Kommunikationslandschaften grundlegend verändert. Krieg und Besatzung untergruben etablierte Informationsquellen und deformierten die öffentliche Sphäre, während diktatorische Regime ein beispielloses Maß an Zensur, Propaganda und Überwachung einsetzten, um die öffentliche Meinung zu überformen und zu lenken. Zuverlässige und überprüfbare Informationen waren selten geworden. Das besetzte Europa wurde zu einem Nährboden für alternative und informelle Informationskanäle, in denen Gerüchte, Klatsch und übertriebene, fiktive Erzählungen (tall tales) dazu beitrugen, die Handlungen der Menschen und ihren Sinn für die Realität zu prägen.
Mit einem interdisziplinären und transnationalen Ansatz untersucht dieser Workshop die Rolle informeller Kommunikation in den europäischen Gesellschaften und berücksichtigt dabei ihre Beziehung zur offiziellen staatlichen Kommunikation »von oben« und ihre Verankerung in besonderen sozialen Realitäten »von unten«. So wollen wir besser verstehen, wie die Menschen einer sich ständig verändernden, oft bedrohlichen Situation Sinn verliehen haben.
Die Arbeitstagung richtet sich an Forschende, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg, seinen Vorläufern und unmittelbaren Folgen beschäftigen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf Frankreich (und seinen Kolonien) und Westeuropa unter deutscher oder italienischer Besatzung, wir sind allerdings offen für Beiträge über andere Teile Europas, um vergleichende und transnationale Ansätze zu ermöglichen. Beiträge von Nachwuchsforschenden sind besonders willkommen.
Bewerbungsfrist: 16. Mai 2022
Der Workshop wird am Deutschen Historischen Institut Paris am 23.–25. November 2022 stattfinden.
Bildnachweis: Britisches Plakat »Careless talk costs lives. Mr Hitler wants to know!«, 1939–1945, Collections of The National Archives (United Kingdom), catalogued under document record INF3/238 [Public domain], https://commons.wikimedia.org/wiki/File:INF3-238_Anti-rumour_and_careless_talk_Mr._Hitler_wants_to_know.jpg