Frühe Neuzeit

Forschungsprojekt

Bräute für die Kolonien. Gelenkte Migration in den französischen Atlantikkolonien des 17. und 18. Jahrhunderts


Gegenstand des Forschungsprojekts sind Programme zur Anwerbung heiratsfähiger Frauen und Mädchen für die französischen Atlantikkolonien der Frühen Neuzeit. Wie viele andere Kolonialmächte war Frankreich in der frühen Phase der Expansion in die »Neue Welt« mit einem demographischen Problem konfrontiert: Die meisten Kolonisten waren junge, unverheiratete Männer, von denen viele schon nach kurzer Zeit an Krankheiten oder durch gewaltsame Auseinandersetzungen starben oder nach Ende ihrer Dienstzeit in ihre Heimat zurückkehrten. Heiratsfähige Frauen und Kinder waren in der Regel deutlich unterrepräsentiert, was zu einem demographischen Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern und zu vielfältigen Formen sexueller Beziehungen zwischen europäischen Männern und indigenen Frauen führte.

Während solche Formen von »interracial sex« und »métissage« und ihre Steuerungsversuche durch die Kolonialmächte in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher innovativer Studien waren, konzentriert sich das Projekt auf einen anderen, bislang weniger beachteten Aspekt kolonialer Bevölkerungspolitik: die gezielte Förderung der Heiratsmigration aus Europa, um den allseits beklagten »Frauenmangel« zu beheben und den Fortbestand der Kolonien zu sichern. So wurden auf Initiative Colberts zwischen 1663 und 1673 fast 800 Frauen und Mädchen – meist junge Waisen aus den Zucht- und Armenhäusern von Paris – unter königlichem Schutz nach Neufrankreich geschickt. In gleicher Weise wurde zwischen 1704 und 1728 für Französisch-Louisiana die Anwerbung und Überfahrt mehrerer hundert »épouseuses« aus Frankreich organisiert.

Mit dem Projekt ergeben sich nicht nur Anknüpfungspunkte zur Verwaltungs- und Verflechtungsgeschichte kolonialer Herrschaft, sondern auch zur Körper- und Geschlechtergeschichte sowie zur Geschichte demographischen Denkens in der Frühen Neuzeit.

Das Forschungsprojekt widmet sich diesem Thema aus einer dezidiert europäischen Perspektive und strebt zugleich eine Neubewertung dieser Programme sowie ihre Einordnung in den breiteren Kontext bevölkerungspolitischer Maßnahmen in der Frühen Neuzeit an. Im Mittelpunkt stehen weniger die Frauen selbst, als vielmehr die administrative Umsetzung der Rekrutierung und die leitenden Prinzipien der Auswahl und Bewertung potenzieller »Bräute«. Damit ergeben sich nicht nur Anknüpfungspunkte zur Verwaltungs- und Verflechtungsgeschichte kolonialer Herrschaft, sondern auch zur Körper- und Geschlechtergeschichte sowie zur Geschichte demographischen Denkens in der Frühen Neuzeit.

 

Bildnachweis: Eleanor Fortescue-Brickdale (1872–1945), Ankunft der »Filles du Roi« in Québec und ihre Begrüßung durch Jean Talon und Bischof François de Montmorency-Laval, Wikimedia Commons.