Forschungsprojekt

Die keusche Respublica und ihr fürstlicher Liebhaber. Staatspersonifikationen in der Frühen Neuzeit


Im Anschluss an die Arbeiten von Maurice Agulhon sind die französische Nationalallegorie »Marianne« und ihre Schwestern in anderen Nationalstaaten für die Moderne umfassend erforscht worden. Für die Zeit vor der Französischen Revolution liegen jedoch noch kaum Studien über solche Personifikationen des Staates oder des politischen Körpers vor, ganz zu schweigen von vergleichenden Ansätzen, die diese verschiedenen Allegorien zusammen untersuchen. Dabei haben sie gemeinsame Wurzeln, die häufig in der Antike liegen: Vor allem die Göttin Minerva diente als ikonographisches Vorbild für solche Darstellungen. Die christliche Theologie trug zur Entwicklung dieser symbolischen Repräsentation bei, indem sie eine weitere keusche Frauenfigur ins Spiel brachte: das Bild der Jungfrau Maria, Himmelskönigin, Mutter und Heilige. Sie konnte zum Symbol für die Monarchie oder den frühmodernen Staat werden, insbesondere in Zusammenhang mit dem Motiv des hortus conclusus,

Auf einem niederländischen Flugblatt von 1615 bedroht der spanische General Spinola mit einer Kanone als Phallus den ›hortus conclusus‹ der holländischen Jungfrau.

des verschlossenen Gartens, der symbolisch für das Herrschaftsgebiet stand. Innerhalb dieser Bildtraditionen, deren Zusammenhänge untersucht werden müssen, können Personifikationen nicht nur als Jungfrauen betrachtet werden, sondern auch als Ehefrauen (des Fürsten) oder Mütter (der Nation). Die erotische Metaphorik erlaubt es, verschiedene Situationen (Brautwerbung, Eheschluss, Ehebruch, Scheidung, Vergewaltigung) auf die Politik und insbesondere Verfassungskonstellationen zu übertragen, die spezifisch sind zum Beispiel für Republiken, gemäßigte oder absolute Monarchien. Die international vergleichende Studie untersucht deshalb die europäischen Staaten vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution.

Abbildung: Das Testament des Friedens oder Anstands, 1615, in: Wolfgang Harms, Deutsche Illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, München 1980–1997, Bd. 2, 182f. (II, 104).

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