Mittelalter

Forschungsprojekt

Städte, Gesellschaften, Gebiete – Das Tal der Seine zwischen Champagne und Île-de-France (12.–14. Jahrhundert)


Dieses Forschungsprojekt befasst sich mit den Veränderungen des Seine-Tals im Hoch- und Spätmittelalter. Das Gebiet wird von der Seine strukturiert und von den drei Städten Provins, Montereau-Fault-Yonne und Melun bestimmt. Verschiedene Obrigkeiten teilen sich das Territorium: die französische Krone, der Graf der Champagne, der Erzbischof von Sens, und andere weltliche und kirchliche Herren.

Die drei Städte, die im Mittelpunkt des Projekts stehen, sind in ihrer Entwicklung innerhalb des Seine-Tals voneinander abhängig. Das Tal ist eine wichtige Handelsachse und liegt oberhalb von Paris, welches im Laufe des untersuchten Zeitraums zur Hauptstadt wird. In der Messestadt Provins, konvergieren ab dem 12. Jahrhundert Güter, Waren, und Personen aus ganz Europa. Italienische Händler erfinden und verbreiten neue Handels- und Austauschtechniken. Montereau und Melun liegen Seine-abwärts, näher an Paris, und sind deshalb in der Lage, den Warenfluss zu kontrollieren. Bis zur Heirat 1284 von Gräfin Jeanne de Navarre und dem zukünftigen König von Frankreich Philipp IV. stehen die drei Städte im Mittelpunkt der Rivalitäten zwischen König und Graf sowie von anderen weltlichen und kirchlichen Akteuren. Die Beziehungen zwischen den Städten sowie ihre Urbanität haben sich durch die Ausbreitung der Krondomäne wahrscheinlich verändert. Dies soll hier berücksichtigt werden.

Ziel der Arbeit ist es, ältere historiographische Fragestellungen aus einer neuen Perspektive zu betrachten: die Beziehungen zwischen Land und Stadt, die Champagner-Messen, Kredit und Wucher, die Kommune als soziopolitische Formel, regionale Besonderheiten etc.

Ziel der Arbeit ist es, ältere historiographische Fragestellungen aus einer neuen Perspektive zu betrachten: die Beziehungen zwischen Land und Stadt, die Champagner-Messen, Kredit und Wucher, die Kommune als soziopolitische Formel, regionale Besonderheiten etc.. Schlüssel zur Erneuerung sind Betrachtungen auf Mikro-Ebene und die sozioökonomische Einrahmung politischer Fragen. Auch neue Fragestellungen nach dokumentarischen, räumlichen und kirchlichen Wendungen der Mediävistik sowie digitale Methoden tragen dazu bei.

Im Mittelpunkt der Analyse steht Provins, insbesondere sechs von lokalen Akteuren produzierte Kartulare. Diese entstanden zwischen 1250 und 1350 und sind verschiedenen kirchlichen Institutionen (Tempelrittern, Hôtel-Dieu, Schwestern von Sainte-Catherine), der Kommune, und dem Händler und Landesherrn Renier Acorre zuzuschreiben. Die Kartulare werden neben einer hermeneutischen Interpretation zugleich inhaltlich und formal statistisch aufbereitet im Hinblick auf Personen, Transaktionen, Orte und Urkundentyp, um sie quantitativ (Faktoranalyse) und digital (Netzwerk- und Raumanalyse) zu untersuchen. Es ist ein Versuch, verschiedene Methoden zu kombinieren und zu vergleichen, die für gewöhnlich nicht zusammen benutzt werden, da sie auf unterschiedliche Darstellungen der Gesellschaft und des sozialen Wandels verweisen. Die Kartulare werden Dokumenten gegenübergestellt, die außerhalb der Stadt entstanden sind, insbesondere aus den königlichen Archiven. Hier stellt sich die Frage, wie die Liste zur Wahrnehmung und Abgrenzung des Raumes beitrug. Dokumente aus den Archiven der Grafen der Champagne werden ebenfalls berücksichtigt, darüber hinaus Dokumente der Archives départementales de l’Yonne bezüglich des Einkommens der Dekane von Montereau, Provins und Melun, die alle dem Erzbistum von Sens unterstehen.

 

Bildnachweis: Der Tour César und die Kirche Saint-Quiriace in Provins, Foto von Jean-Pol Grandmont, 10.7.2023, Wikimedia Commons.