Modernisierung der französischen Landwirtschaft unter deutscher Besatzung (1940–1944)
1940 hatten die nationalsozialistischen Agrarexperten unter der Führung von Staatssekretär Herbert Backe eine klare Vision für die Zukunft der französischen Landwirtschaft, die sie als unproduktiv, »veraltet« und rückständig im Vergleich zur Landwirtschaft des Deutschen Reiches wahrnahmen. Ziel der nationalsozialistischen Besatzer war es, mit Hilfe der deutschen Agrarwissenschaften die landwirtschaftliche Produktion in Frankreich zu modernisieren und zu intensivieren, um die französische, vor allem aber die europäische und deutsche Versorgung zu sichern.
Die vier Jahre der Besatzung waren kulturellen und wissenschaftlichen Transfers zuträglich, wenn auch unter Zwang, da sie eine Phase der Überlagerung von zwei Verwaltungen und der Zirkulation von Menschen, Lebensmitteln, bürokratischen Praktiken, Wissen und Techniken zwischen Frankreich und Deutschland waren. Die »Besatzungsagrarpolitik« zielte darauf ab, den Einsatz von Kunstdünger und ausgewähltem Saatgut zu verstärken, die Technisierung und Motorisierung auszuweiten, Brachland und Ödland neu zu kultivieren, die chemische Schädlingsbekämpfung auszubauen und die Fruchtfolge zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde innerhalb der deutschen Militärverwaltung in Paris und in den Departements der besetzten Zone ein technisch-militärischer Apparat eingerichtet, der die französische Landwirtschaft steuern, überwachen, optimieren und punktieren sollte.
Diese Arbeit fragt nach der Rolle der Besatzung in der Geschichte der französischen »Agrarmodernisierung«, ein Prozess, der in der Geschichtsschreibung bisher meist auf die Zeit nach 1945 beschränkt wird. Inwieweit beeinflusste das nationalsozialistische Deutschland die Landwirtschaft in Frankreich und mit welchen Mitteln? Was waren die Projekte der französischen Agrarexperten zu dieser Zeit? Welche Position nahm das neue Vichy-Regime gegenüber diesen Modernisierungsmaßnahmen ein, die seine eigene Souveränität über das französische Territorium in Frage stellten? Was war die Nachwirkung dieser »Besatzungsagrarpolitik« nach 1945? Kann davon ausgegangen werden, dass der Zweite Weltkrieg keine Periode der Stagnation für die französische Landwirtschaft war, sondern eine fenêtre d’opportunité für die Entwicklung einer gewissen agronomischen Moderne?
Eine erschöpfende Analyse aller technischen Dynamiken dieser Modernisierung (Mechanisierung von Ackerbau und Viehzucht, chemische Düngemittel, genetische Selektion, neue Fruchtfolgen, Pestizide, Flurbereinigung, Aufbau der agronomischen Forschung, landwirtschaftliche Statistik usw.) bliebe oberflächlich und wäre von begrenztem Interesse. Die vorliegende Arbeit befasst sich daher mit ausgewählten Fallstudien, die von der bestehenden Geschichtsschreibung noch wenig erforscht sind und die durch die Kreuzung deutscher und französischer Quellen einen Zugang zum allgemeinen Verständnis der Modernisierungsdynamik eröffnen: die Strategien der »Besatzungsagrarpolitik« und der von den deutschen Behörden in Paris entwickelte technisch-administrative Apparat; die von den Besatzungsbehörden auf französischem Territorium entwickelte sozio-technische Struktur zur Kontrolle und Lenkung der Landwirtschaft; die deutsche Agrarunternehmen Ostland, die den deutschen Behörden ermöglichte, die direkte Bewirtschaftung französischer Betriebe zu übernehmen; der Kampf gegen den Kartoffelkäfer und die Übernahme deutscher Praktiken; die Einfuhr neuer Kulturpflanzen (Ölsaaten und Kautschukersatz) und die Förderung einer »verbesserten« Fruchtfolge; der Versuch, die Milch- und Butterproduktion zu industrialisieren, und die Modernisierungsimpulse in der Futterfrage.
Bildnachweis: Hannes Grobe, »Lanz Bauernbulldog 20 PS«, 2013, Creative Commons Lizenz, Wikimedia Commons.